Dass Langlauf und Yoga zusammengehören, würde man nicht vermuten. Aber genau das empfiehlt die ehemalige Engadiner Spitzenläuferin und heutige Yogalehrerin Ursina Badilatti.
„Es war eine Offenbarung“, erinnert sich die mehrfache Langlauf-Schweizermeisterin Ursina Badilatti an den Moment, als sie sich nach einer Auszeit in Berlin, in der sie sich unter anderem zur Yogalehrerin ausbilden ließ, zum ersten Mal wieder auf die Langlaufskis stellte. „Ich stand und glitt auf diesen Skiern wie nie zuvor, zentriert, mit offenen Gelenken und völlig unverkrampft. Wir Langläufer haben meist verkürzte Muskeln und eine gebückte Haltung, denen man mit normalem Stretching einfach nicht beikommt.“ Eine regelmäßige Yogapraxis kann daran etwas ändern, ist Ursina Badilatti überzeugt. Denn, eingefleischte Yogis wissen es: Die Baum-Pose steigert die Balance und die Boot-Pose fördert die Rumpfmuskulatur. Exakt diese Fähigkeiten braucht es auch für Erfolg auf den Langlaufskiern.
Wieso nicht das eine mit dem anderen ergänzen? Also hat die ehemalige Profisportlerin aus dieser ungewöhnlichen Kombination Kurse entwickelt, die sie nun Gästen im Engadin anbietet. Dem bestmöglichen Ort dafür, wie sie findet: „In der Schweiz gibt es viele schöne Langlaufgebiete, aber ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass Langlaufen nirgendwo traumhafter ist, als im Engadin. Die vielseitigen, abwechslungsreichen Strecken, die Loipen in den verschneiten Seitentälern, das magische Licht und die hohe Sonnenscheindauer sind einzigartig.“
Der Yoga-Effekt
Beweglichkeit: Eine Unregelmäßigkeit in der Spur, ein plötzliches Ausweichmanöver verlangen oft nach einer spontanen Gegenbewegung. Nicht selten führen solch unerwartete, ruckartig ausgeführten Manöver zu kleineren Muskelverletzungen. Vielleicht weil der Körper noch nicht warm genug gewesen ist, vielleicht, weil es ihm an der notwendigen Beweglichkeit fehlt. Das längere Halten von Yogaposen (Asanas) stärkt die betroffenen Muskelstränge und das bewusste Dehnen fördert deren Beweglichkeit und Mobilität. Eine Mobilität, die sich auf der Loipe in jenen Momenten ausbezahlt, in denen schnelle und ungewohnte Reaktionen verlangt sind. Ursina Badilatti: «Gerade die Beweglichkeit und Dehnbarkeit von Hüft- und Schultergelenken werden von Sportlerinnen und Sportlern oft sträflich vernachlässigt. Dabei wären beide für die Agilität und optimale Position auf Langlaufskis superwichtig.»
Die Kraft aus der Mitte: Beim Yoga wird zwar der ganze Körper trainiert, viele Asanas bauen aber auf der aktivierten Bauchmuskulatur auf. Eine starke Körpermitte fuührt zu einer aufrechteren Körperhaltung, zu mehr Balance und zu einem gestärkten unteren Ruücken. Alles Voraussetzungen, die den Langläufern ein kraftvolles Ausholen mit den Armen ermöglichen. Hält die Körpermitte, hält sich der Körper länger aufrecht.
Die Balance halten: Wer regelmäßig Yoga praktiziert, weiß, dass die Balance von der körperlichen Tagesform oder der momentanen mentalen Belastung abhängt. Balanceübungen sind ein wichtiger Bestandteil der Yogapraxis. Ein gesteigertes Gefühl für das körperliche Gleichgewicht fördert Körperwahrnehmung und Koordinationsfähigkeit. Beides ist auf den dünnen Skiern und in der schmalen Spur auch für geübte Langläufer ein Thema.
Der richtige Atem: Wie bei allen Sportarten, die den Herzkreislauf ankurbeln, hängt die Ausdauer davon ab, wie man es schafft, den Atem zu regulieren. Eine Yogalektion besteht normalerweise aus Meditation, Körper- und Atemübungen. Eine regelmäßige, ruhige Atmung löst Spannungen in Körper und Geist, transportiert Sauerstoff in den Blutfluss, was Sportlerinnen und Sportler wiederum leistungsfähiger macht.
Die Ruhe weg: Der große Unterschied zwischen Yoga und Stretching liegt in der Atmung und im bewussten, mentalen «Hinreisen» zur entsprechenden Körperstelle. Ursina Badilatti: «Der Effekt ist ein ganz anderer, als wenn ich vor dem Fernseher stretche oder im Kopf bereits an einem anderen Ort bin.» Wer schon einmal allein durch die tiefverschneite Landschaft gelaufen ist, kennt die meditative Seite des Langlaufsports. Yoga und Meditation fördern die innere Ruhe und lehren die Praktizierenden auf körperliche Signale zu achten und eigene Limiten zu respektieren. So werden Verletzungen vorgebeugt. Die Körper-Geist-Verbindung aus der Yogastunde unterstützt die Sportlerinnen und Sportler auf der Loipe dabei, in einen ruhigen, meditativen Flow zu finden. „Ich behaupte, Athletinnen und Athleten, die eine Trainingseinheit einbauen, in der sie sich der Achtsamkeit und inneren Ruhe widmen, erreichen bessere Resultate“, ist Ursina Badilatti überzeugt.
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