Majestätisch schwebe ich der Winklmoosalm entgegen, während sich unter mir Tobias Angerer im Anstieg fordert und auf seiner alten Trainingsstrecke etwas für seine Fitness tut.
Nichts könnte die Nordic Plus Loipe rund um Reit im Winkl besser beschreiben, als diese Szene eines langen Tages im Chiemgau. Ich bin am Nachmittag zuvor angereist und habe mein Quartier im Hotel Unterwirt bezogen. Schnell die Klamotten gewechselt und wenige Minuten später bin ich zu Fuß mit den Skiern in der Hand auf dem Weg zum Langlaufstadion. Dort wo schon Weltcuprennen und erst im vergangenen Jahr deutsche Meisterschaften ausgetragen wurden, will ich noch eine kleine Runde drehen. Das Wetter lässt mir jedenfalls keine andere Wahl. Sonnenschein und leichte Plusgrade begleiten mich während der Besichtigungstour auf der Nachtloipe und im Anschluss der acht Kilometer langen Romantikloipe. Letztere hat ihren Namen wahrlich verdient und macht so richtig Lust auf mehr.
Gestärkt vom Abendessen und dem Frühstück am nächsten Morgen habe ich mir das Highlight unter den Loipen in Reit im Winkl vorgenommen: Die Nordic Plus Loipe. Sie verbindet den Ort mit der Winklmoosalm und führt sogar mehrere Kilometer nach Österreich. Das erklärt mir Florian Weindl, der Leiter des Tourismusbüros, bei meinem kurzen Besuch. 50 Kilometer ist die längste Variante lang, die zudem mit 1.250 Höhenmetern aufwartet. Das „Plus“ hat dabei aber einen ganz anderen Hintergrund. Man kann sie nämlich in insgesamt vier Varianten absolvieren, deren Kürzeste gerade einmal 28 Kilometer und 200 Höhenmeter Anstieg aufweist. Wie das geht? Zum einen durch Benutzung der Shuttle-Busse von Reit im Winkl nach Seegatterl. Zum anderen stehen mit der Gondel zur Winklmoosalm und dem Schlepplift im Heutal zwei Aufstiegshilfen zur Verfügung, die einem Großteil der Höhenmeter ihren Schrecken nehmen.
Wem die Komplettrunde also zu anspruchsvoll erscheint, hat drei weitere Varianten zur Auswahl, für die er sich je nach persönlichem Leistungsniveau entscheiden kann. Ich habe mich heute für die gemütlichere Variante 2 mit 39 Kilometern und 450 Höhenmetern entschieden. Nach dem Start im Langlaufstadion folge ich zunächst der Romantikloipe, die ich bereits vom Vortag kenne. In Blindau zweigt dann die Chiemgau-Loipe ab und ich folge ihr vorbei an den Sprungschanzen bis zum Ortsausgang von Reit im Winkl. Ab hier steigt die Strecke beständig aber sanft an bis Seegatterl. Den langen Anstieg hinauf zur Winklmoosalm, den ich von einer früheren Tour her schon kenne, lasse ich heute mal links liegen und nutze die Gondel, um auf knapp 1.200 Meter Höhe zu gelangen. Dort habe ich mich mit Olympia- und WM-Medaillengewinner Tobias Angerer verabredet, der mich auf den weiteren Kilometern als Guide begleiten wird. Er läuft allerdings auf Skiern hinauf zur Winklmoosalm. Zwar nicht mehr ganz so schnell wie zu seiner aktiven Zeit, aber für mich und viele andere definitiv noch zu schnell.
Oben angekommen genieße ich erstmal die Sonne und während ich auf Tobias warte, laufen Andi Birnbacher und Simon Schempp an mir vorbei. Die Winklmoosalm ist schließlich DAS Trainingsrevier der Biathleten und Langläufer vom Stützpunkt Ruhpolding. Und auch Tobias hat sich hier regelmäßig auf seine Saisonhöhepunkte vorbereitet, wie er mir berichtet, als er nur wenig verschwitzt bei mir ankommt. Gemeinsam laufen wir vorbei am Alpinlift zur Steinplatte und erreichen nach nicht einmal einem Kilometer den höchsten Punkt der Nordic Plus Loipe. Von hier aus geht es zunächst wellig dahin und wir geben schon mal Gas. Dann folgt die lange Abfahrt mit mehreren Kehren über Moarlack hinunter ins Heutal. Das liegt bereits auf österreichischem Boden und ist mit dem Auto nur von Unken aus zu erreichen. Der letzte Kilometer gleicht einer Fahrt in der Bobbahn, links und rechts türmen sich die Schneemassen. Dann ist der Talboden erreicht.
Nur ein einziger flacher Kilometer bringt uns schließlich zur Talstation des Wildalm Schlepplifts, der mir zum zweiten und Tobias zum ersten Mal einiges an Höhenmetern erspart. Oben angekommen ist es noch zu früh für eine Brotzeit, die wir uns in der Wildalm hätten gönnen können. Stattdessen nehmen wir direkt den einen Kilometer in Angriff, auf dem wir bergan laufen müssen, ehe schon die nächste Abfahrt auf uns wartet. Wir lassen es erneut krachen und passieren einige Langläufer und Winterwanderer, die das perfekte Wetter genießen. Wenig später finden wir uns bereits auf deutschem Boden und unweit der Winklmoosalm wieder. Hier verabschiedet sich Tobias von mir. Er hat noch einen Termin und muss mittags wieder zuhause sein. Dafür gibt er mir noch einen Tipp für meinen Rückweg mit auf den Weg. Jeanette, die Chefin der Traunsteiner Hütte, mache den besten Kaiserschmarrn weltweit. Das lasse ich mir natürlich nicht zweimal sagen und biege direkt auf den kurzen Zubringer zur Hütte des DAV ab.
Auf der Terrasse haben es sich schon einige Wanderer und Langläufer gemütlich gemacht. Es ergeben sich nette Gespräche, die das Warten auf den Kaiserschmarrn verkürzen. Und Tobias hat nicht zu viel versprochen. Einfach köstlich die wohl bekannteste Süßspeise des Alpenraums! Frisch gestärkt nehme ich die letzten zwei Kilometer auf der Winklmoosalm in Angriff, ehe ich mich in die sechs Kilometer lange Abfahrt zum Seegatterl stürze. Die Bäume rauschen nur so an mir vorbei und viel zu schnell komme ich wieder unten im Tal an. Die nächsten Kilometer kenne ich schon vom Hinweg, nur die letzten Kilometer sind neu für mich. Auf der Sonnenloipe lasse ich dieses ganz besondere Langlauferlebnis locker ausklingen. Wieder zurück im Langlaufstadion nehme ich mir für das nächste Mal die Komplettrunde über 50 Kilometer vor. Oder ich laufe die Kurzvariante mit Frau und Kindern. Das ist definitiv das „Plus“ an er Nordic Plus Loipe!
Mehr zur Nordic Plus Loipe in Reit im Winkl lest ihr hier: www.reitimwinkl.de/nordic-plus
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