Fluorwachse sind sowohl im Wettkampfbereich als auch bei wohlhabenden Amateuren sehr beliebt, denn mit ihnen lassen sich die besten Gleitergebnisse erzielen. Mit hochfluorierten Wachsen erreicht man die größten Kontaktwinkel ? zwischen Wassertropfen und Skibelagsoberfläche. Je größer ? ist, desto weniger saugt der Ski. Diese Eigenschaft spielt um den Gefrierpunkt, an dem zunehmend freies Wasser im Schnee vorhanden ist, eine entscheidende Rolle. Auch bei niedrigen Temperaturen wirken fluorierte Wachse, denn auf jedem Schneekorn befindet sich ein dünner Wasserfilm, der sich an den Skibelag anheften möchte. Das folgende Bild zeigt Kontaktwinkel verschieden präparierter Ski.
Ein zweiter Effekt macht fluorierte Skiwachse so wertvoll. Die Wachse erhöhen die Härte des Skibelags, was man beim Abziehen hört, sieht und fühlt. Große Härte bietet einen besseren Schutz gegen das Furchen von Schneekörnern bei kalten Bedingungen. Weniger Furchung bedeutet geringeren Gleitwiderstand, da die reale Kontaktfläche Ak klein ist, siehe Bild rechts. Schließlich kommt noch ein relativ unerforschter Effekt zum Tragen, der mit der Unverträglichkeit von Grundwachs und Fluorkomponente zusammenhängt. Durch Entmischung entstehen hydrophobe Inseln auf der Oberfläche des Skibelags. Diese Inseln vermitteln den Eindruck einer inhomogenen Präparation, die als störend wahrgenommen wird. Allerdings ist die Abfolge von hydrophoben und weniger hydrophoben Bezirken tribologisch vorteilhaft, was ansatzweise mit Kavitationseffekten begründet werden kann.
Abschließend sei noch auf einen handwerklichen Effekt bei der Verwendung von fluorierten Wachsen, besonders den Pulvern, hingewiesen. Die positiven Effekte dieser Wachse sind so robust, dass subtilere Einflüsse, wie z.B. richtiges Bürsten oder die Wirkung feinster Schliffstrukturen in den Hintergrund treten. Die Härte der Wachse erlaubt den Einsatz von Akkuschraubern mit Bürstvorsatz, der bei anderen Wachssorten sehr schnell zum Verbrennen des Belags führen kann. Die feinen Strukturen des Schliffs spielen nahezu keine Rolle, da diese Strukturen kaum freizulegen sind. Mit der Durchsetzung des Fluorwachsverbots durch den Weltskiverband verschwinden alle genannten Vorteile. Die Rennen werden vermutlich langsamer und die handwerklichen Fähigkeiten werden wieder an Bedeutung zulegen. Skischliffe erleben eine Renaissance.
Weitere Artikel findet ihr auf der Snowstorm Publishing Webseite: snowstorm-gliding.de
Matthias Scherge beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit den Grundlagen des Gleitens auf Eis und Schnee. Er leitet das MikroTribologie Centrum, eine gemeinsame Einrichtung der Fraunhofer Gesellschaft und des Karlsruher Instituts für Technologie, wo er als Professor das Fach Tribologie lehrt. Die Tribologie ist die Wissenschaft von Reibung, Verschleiß und Schmierung und beschäftigt sich unter anderem auch mit dem Gleitverhalten von Kufen und Ski. Seit 2012 berät Scherge das Nordic Paraski Team Deutschland und leitet das Team Snowstorm, ein leistungsfähiges Netzwerk aus Hochschulpartnern und Unternehmen zur Unterstützung von Athleten und ambitionierten Wintersportlern: www.team-snowstorm.de