Martin Bauer, ein passionierter Langläufer und Skitechniker kam auf mich mit der Frage zu, warum sehr oft bei leichtem Regen oder Nebel Kaltwachse zum Einsatz kommen, auch wenn der Schnee warm ist. Hier kommt der Versuch einer Antwort.
Kalter Schnee => hartes Wachs, warmer Schnee => weiches Wachs. So weit, so gut – aber warum? Der Grund liegt in der Härte von Schneekorn und Skibelag. Bei Schneetemperaturen bis etwa -6 Grad ist die Härte des Skibelags größer als die der Eiskügelchen, aus denen abgelagerter Schnee besteht. Das bedeutet, dass die Riefen des Skibelags die Eiskörner furchen. Wenn es kälter wird, dreht sich das Verhältnis um. Jetzt ist der Skibelag weicher und die einzelnen Schneekörner drücken sich ein und furchen. Dieser Effekt erhöht die Reibung. Als Reaktion kommt hartes Wachs auf den Ski und die Furchung wird verringert. Bei warmem Schnee ist dieses Vorgehen nicht nötig, denn – wie bereits beschrieben – haben die Schneekörner eine geringere Härte als der Belag und darüber hinaus eine große Mobilität und weichen so den Belagsstrukturen aus.
Das Titelbild zeigt das Gebirge der Schleifriefen eines Langlaufskis. Links ist die Topographie eines ungewachsten Belags zu sehen. Das rechte Bild stellt den Zustand nach Wachsen, Abziehen und Bürsten dar. Obwohl es sich nicht um dieselbe Belagsstelle handelt, ist deutlich zu erkennen, dass die Borsten der Bürste nicht bis in die tiefsten Riefen gelangen konnten. Dieser Effekt verstärkt sich bei weichem Wachs, da es den Borsten ausweicht. Die Tabelle zeigt typische Rauheitswerte eines ungewachsten Schliffs, eines mit weichem und eines mit hartem Wachs. Das Zahlenwerk ist notwendig, da die Unterschiede mit dem Auge kaum sichtbar sind. Zurück zum Regen. Wenn der Schnee nass ist, braucht es tiefere Schleifriefen, um die Kapillarhälse zu brechen. Kaltes Wachs lässt sich effektiver – obwohl nicht einfacher – ausbürsten, was zu weniger tief verschmierten Schleifriefen führt. Somit saugt dieser Ski weniger und die Fahrt wird schneller.
Zum Artikel: snowstorm-gliding.de
Matthias Scherge beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit den Grundlagen des Gleitens auf Eis und Schnee. Er leitet das MikroTribologie Centrum, eine gemeinsame Einrichtung der Fraunhofer Gesellschaft und des Karlsruher Instituts für Technologie, wo er als Professor das Fach Tribologie lehrt. Die Tribologie ist die Wissenschaft von Reibung, Verschleiß und Schmierung und beschäftigt sich unter anderem auch mit dem Gleitverhalten von Kufen und Ski. Seit 2012 berät Scherge das Nordic Paraski Team Deutschland und leitet das Team Snowstorm, ein leistungsfähiges Netzwerk aus Hochschulpartnern und Unternehmen zur Unterstützung von Athleten und ambitionierten Wintersportlern: www.team-snowstorm.de