3. Akt
Man sagt ja, dass nach dem Anstieg das Rennen bzw. der Vasalauf erst anfängt – und da ist tatsächlich viel Wahres dran! Allerdings ist es noch kein Rennen, sondern eher ein Sortieren. Wo sind hier die Spuren? Wie schnell wird gelaufen? Wie schnell sollte und kann ich laufen? Oben auf der Höhe war es ungemütlich: Kalt und jede Menge Wind von vorne! Verstecken im Windschatten war selten möglich. Nachdem ich im oberen Teil des Anstieges am Rücken schon etwas geschwitzt hatte, wurde mir nun kalt. Es wäre also angezeigt gewesen etwas Gas zu geben, um warm zu werden. Aber das war nicht einfach: Durch den Neuschnee war das Spurenangebot reduziert und es bildeten sich lange Kolonnen, die sich in maximal mittlerem Tempo vorwärts bewegten. An die Regel „Schnelle links – Langsame rechts“ hat sich nur selten jemand gehalten. Leider waren viele „selbsternannte Weltmeister“ in der linken Spur unterwegs und haben nur den Verkehr aufgehalten. So musste man eben häufig rechts überholen. Ich bitte die schwedische Polizei um Nachsicht beim Ausstellen von Strafzetteln 😉 An den einen oder anderen Abschnitt der Strecke konnte ich mich von den Streckenbesichtigungen noch erinnern. Insgesamt war dies jedoch relativ schwierig, da alles unter einem weiß-grauen „Einheitsschneeschleier“ versteckt worden war. Zusätzlich breitete sich vor uns ein schwer durchsichtiger Vorhang aus fallendem Neuschnee aus. Wo war die grandiose Landschaft und die Sonne der letzten Tage?
In Smågan (erste Verpflegungsstelle) habe ich mir einen Becher Sportgetränk genommen und weiter ging’s unter den Anfeuerungsrufen unseres Mitstreiters und Fahrers Uwe auf die ersten uns unbekannten Kilometer des Vasalaufs. Dort traf ich auch wieder meinen Bruder Klaus. Nach unserem letzten Treffen hatte er mich aufgefordert Gas zu geben – aber im allgemeinen „Gewühl“ habe ich es einfach nicht geschafft schneller nach vorne zu kommen. Also – warum nicht gemeinsam laufen? Bis zu den Mångsbodarna (zweite Verpflegungsstelle) war ich verwundert, dass die Strecke doch immer wieder ziemlich hügelig ist. Naja – irgendwo muss man ja die rund 1.000 Höhenmeter „aufsammeln“. Allen Debütanten sei nochmals gesagt: Der Vasalauf ist NICHT FLACH! Das mag im Höhenprofil so aussehen – da spielt der Maßstab und die Länge der Strecke allerdings eine entscheidende Rolle! Irgendwo in diesem Streckenabschnitt muss ich auch die Bekanntschaft mit ersten Anzeichen von Krämpfen im rechten Oberschenkel gemacht haben. Die hingen dann während des weiteren Laufes wie ein Damoklesschwert über mir. Das war nicht so schön – weil es ansonsten eigentlich ganz ordentlich lief. Ich vermute, dass dies einfach von der Kälte bzw. dem Wind gekommen ist. Habe also versucht immer wieder diagonal zu laufen, um auch die Beine warm und locker zu bekommen. Das hat ein Stück weit funktioniert – Krämpfe habe ich bis ins Ziel nicht bekommen. Aber inzwischen waren wir auch schon so weit, dass die Reststrecke kürzer war, als unser bisher längstes Training. Sieht eigentlich gut und machbar aus 🙂
4. Akt
Die „Weiterreise“ nach Risberg (dritte Verpflegungsstelle) war ok. Hier konnte ich mich noch an einige Streckenabschnitte von der Streckenbesichtigung erinnern. Das Fell hat ordentlich gehalten und wir konnten die Anstiege zum Überholen nutzen. Leider sind auch Leute unterwegs, die meinen alles „schieben“ zu müssen – es aber nicht können! Ein etwas älterer, kleinerer Herr in einem organgenfarbenen Rennanzug ist die Hügel kaum hoch gekommen und hat die anderen um sich herum mit seinem Gestöhne belästigt. Jeder Doppelstockschub ein Stöhner! Deshalb ergeht von mir folgendes Urteil: Der Kandidat wird lebenslang gesperrt und erhält dafür den original „Vasa Maulkorb 2019“ in Gold verliehen! Der „MG-Schütze“ in der Abfahrt vor Risberg (einige schaurige Youtube-Videos behaupten, dass dieser für die berühmten Stürze in diesem Streckenabschnitt verantwortlich sei) war wegen des unwirtlichen Wetters Zuhause geblieben – wir sind ohne „Massaker“ in Risberg angekommen. An Risberg hatte ich gute Erinnerungen vom Vortag (Streckenbesichtigung) und bin nach einer kleinen Stärkung hoffnungsfroh losgelaufen. Ich war auf den nächsten mir noch unbekannten Streckenabschnitt gespannt und der hatte es ziemlich in sich: Viele Hügel und eine ziemlich schlechte Loipe! Es gab ungefähr „eineinhalb Loipen“, jede Menge Neuschnee und Wind von vorne. Mein Bruder Klaus hat ein tolles Rennen gemacht und war offensiv – nutzte jede mögliche und unmögliche Situation zum Überholen, ganz im Stile eines GTI-Fahrers auf einer deutschen Autobahn. Ich hatte phasenweise Mühe damit ihm zu folgen – aber ziehen wollte ich ihn auch nicht lassen.
Irgendwann kam dann das Schild mit der Zahl „45“ – Halbzeit! Neben mir macht sich ein Läufer mit einem „Juhu“ Luft und seine Stimme verrät alles: Dass er erleichtert ist die Hälfte geschafft zu haben, aber dass es auch ziemlich anstrengend war! Und wer realistisch oder pessimistisch ist hätte ohne große Mühe auch ein kleines Seufzen vernehmen können ob dessen, was da wohl noch kommen würde … Und ganz nebenbei erwähnt: Der „Stöhner in Gold“ hat sich mittlerweile weiter hinten aufgehalten, sodass er auch später gestarteten Läufern eine Probe seiner Kunst bieten konnte … Für mich war es wohl der schwächste oder härteste Streckenabschnitt. Da hat sich die Verpflegungsstelle in Evertsberg wie eine Rettung angefühlt! Warmes Sportgetränk und ein halber Riegel aus dem Hüftgurt schmecken so gut, wie schon lange nicht mehr! Die Lebensgeister kehren zurück! Auf geht es nach Oxberg – diesen Streckenabschnitt kennen wir bereits! Aber bis zum Parkplatz geht es noch über einige Hügel und irgendwie ist die Strecke auch nicht so schnell, wie am vergangenen Donnerstag. Mittlerweile hat sich aus uns Zweien ein gutes Renn-Team ergeben. Klaus hat mehr offensive Anteile – aber immer wieder gehe auch ich nach vorne und so zwingen wir uns gegenseitig Gas zu geben. In viele Anstiege laufen wir in „Klæbo-Manier“ – nur leider sitzt unsere Frisur nicht so gut wie seine 😉 In Oxberg angekommen wird Klaus für sein Engagement mit einer besondere Ehre bedacht: Er wird vom Streckensprecher namentlich angekündigt. Leider hat sich der Sprecher an unserem Nachnamen beinahe die Zunge gebrochen 😉 Etwaige Schadensersatzansprüche werden abgelehnt – wir haben uns den Namen auch nicht ausgesucht 😉
Ein schöner Bericht und schade dass es nicht zur Medaille gereicht hat. Nur eine Sache muss ich anmerken: sich nicht hinten in der Schlange anzustellen ist aus meiner Sicht grob unfair den anderen Sportlern gegenüber. Die anderen sind früher aufgestanden, um weiter vorn zu stehen und sich vorzudrängeln zeugt von mangelnder Fairness und Respekt.
Ich stand z.B.auch in dieser Schlange….
Ein sehr schöner Bericht.Schade dass es nicht zur Medaille gereicht hat. Einen Punkt muss ich jedoch anbringen. Du schreibst, dass trotz der Energie sehr fair zugeht und man einander hilft, was du so aus Rennen in Deutschland nicht kennen würdest. Gleichzeitig hast du dich beim Start allerdings klar vorgedrängelt was weder fair den anderen Läufern gegenüber ist, noch zeugt es von Respekt derer, die extra früh aufgestanden, um einen guten Platz in der Schlange zu bekommen. Darüber vielleicht in der Zukunft einmal nachdenken.