Als Langstreckenläufer kommen einem immer wieder neue Ideen, manchmal der Gedanke, je länger, desto besser. So geschehen diesen Winter. Der Nordenskiöldsloppet in Jokkmokk hatte schon im Vorjahr mein Interesse geweckt, nur war der Lauf bisher immer erst Mitte April. Da gibt’s im Erzgebirge oft schon einige Wochen keinen Schnee mehr. Rollern vor so einem Event ist für mich ethisch bedenklich. Ja und plötzlich in diesem Jahr findet der Lauf schon Ende März, nur eine Woche nach dem Skadi Loppet statt! Also Flüge buchen für ein langes Wochenende am Polarkreis und gut durch die Saison kommen!
Am 22. März war es dann soweit. Nach einem Skadi Loppet bei genialen Bedingungen (über ein Meter Schnee und minus 7 Grad) fliegen wir über Stockholm nach Lulea, weiter mit dem Mietauto in eine kleine Schwedenhütte genau auf dem Polarkreis. In der ersten Nacht gab es gleich eine tolle Überraschung. Trotzdem ich schon viele Male in Skandinavien war, habe ich noch nie derartig beeindruckendes Polarlicht gesehen! Der Himmel erstrahlte grün in sich ständig verändernden Formen. Am nächsten Tag dann wachsen, Startnummern holen und beim Teamcaptains Meeting die letzten Instruktionen von Daniel Tynell erhalten. Zudem mussten noch die Sachen für drei mögliche Wechsel-Stationen gepackt werden. Ein wenig Schlaf war möglich, mehr auch nicht, denn halb vier klingelte der Wecker.
Leider hatte der Wetterbericht Recht behalten: Eine ganze Woche blauer Himmel und Sonne, nur am Renntag Schneefall und ganztägig bewölkt. Um sechs ging es los, 220 km mit 19 Verpflegungen lagen vor uns. Bis zum ersten echten Anstieg nach 65 km blieb vorn eine große Gruppe von über 50 Läufern zusammen. Dabei war es eine Freude zu sehen, dass der Ski toll mitlief. An den Verpflegungen blieben wenige Wünsche offen: warme Blaubeersuppe, Isogetränke, Bananen, belegte Brote, Riegel und anderes mehr. Da hatte der Veranstalter wirklich ganze Arbeit geleistet! Viele dieser Punkte waren nicht einmal mit dem Auto zu erreichen. Ab der Hälfte des Rennens bildeten sich kleine Gruppen und man war froh, in den ewigen Weiten nicht völlig allein unterwegs zu sein. Ein einprägsames Bild waren die 10 km schnurgerade über einen See an der Wende, auf dem Hinweg mit Rückenwind….Irgendwann waren noch 90 km zu laufen, also nochmal den Vasalauf mit schon 130 km in den Beinen und definitiv nicht so flott wie vor drei Wochen. Dann noch 70 km, Marcialonga, noch 50, also Iserlauf, so habe ich mich gedanklich motiviert, denn die Kräfte wurden weniger. Heldentaten waren jetzt nicht gefragt, sondern möglichst kontinuierlich essen und trinken, um so dem „Hammer“, der nach Auskunft vorheriger Teilnehmer irgendwann kommt, zu entgehen.
Als die Nacht herein brach, wurde es merklich kälter, die Temperatur sank unter minus 10. Der Körper war ziemlich leer und so fühlte sich das deutlich frostiger an. Da war es gut, dass ich neben der Stirnlampe auch noch ein paar warme Sachen an der Versorgung 20 km vor dem Ziel deponiert hatte. So waren auch die letzten Kilometer zu bewältigen, auch wenn nunmehr restlicher Biss gefragt war. Nach 15 Stunden war das Ziel erreicht. Die innere Vorgabe, unter den ersten 50 einzukommen war zwar gut erfüllt, spielte aber beim überqueren der Ziellinie so gar keine Rolle mehr. Schnell unter die Dusche, die Freude über dieses langanhaltende und beeindruckende Erlebnis sollte erst später kommen.
Dem Veranstalter gebührt ein großes Lob ob der Versorgung und Logistik mit drei Depots zum Umkleiden sowie dem Versuch, trotz Neuschnee vor dem Lauf und weiteren Schneefällen während dessen eine Spur doch irgendwie zu erhalten. Den Sonntag danach haben wir dann mehr oder weniger verschlafen. Dabei gilt meine ganze Hochachtung denen, die das Zeitlimit von 30 Stunden voll ausschöpfen mussten und trotzdem noch froh ins Ziel gekommen sind. In meinem Inneren bleibt ein Lauf zurück, der körperlich sicher die Grenzen aufzeigt, durch eine herrliche Landschaft zieht, Rentiere und einen Elch zur Schau stellte und von viel Miteinander unter Läufern und Versorgern geprägt war.
Traut Euch einen Versuch, es ist die Reise wert!
Ski Heil, Michael Richter