Ausgespuckt werde ich am wohl steilsten und längsten Anstieg der Strecke. Hoch nach Finsterau heißt es Zähne zusammenbeißen und mit einem möglichst runden Bewegungsablauf die nötigen Höhenmeter zu sammeln. Endlich ist diese „Mörderrampe“ geschafft und ich versuche mich auf einer leichten Bergabpassage in das Stadion von Finsterau zu entspannen. Meine Reise auf Langlaufski bringt mich in viele Langlauf Stadien, die mir schon in der Kindheit so manch heiße Rennen beschert hatten. Eisenstein, Rabenstein, Zwiesel, Mauth und Finsterau, da ging es rund! Ich wünsche uns, dass es nach Corona weiter geht.
Tobi als Begleitung
Foto Tobi schießt erneut ein beeindruckendes Bild, es sieht aus als würden die Alpen im Bayerischen Wald stehen. Der Fön macht es möglich und so schön dieses Bild ist, so herausfordernd werden die Schneebedingungen. Ein eigenartiges Schneemus bremst mich nach jedem Schub auf null herunter und selbst neues Material bringt keine Besserung. Wahnsinn, gute 100 Kilometer sind geschafft, wie soll das nur weiter gehen? Zu meiner Überraschung schwingt sich Foto Tobi auf die Ski und leistet mir Gesellschaft, gemeinsam leidet es sich einfach besser. Ausgerüstet mit einer GoPro Kamera wagt er Aufnahmen, die sehr wahrscheinlich die Zensur nicht überstehen werden. Nach weiteren 10 Kilometern kommen wir in Hinterfirmansreut an. Die Landschaft ist einzigartig, unberührte Natur, am moorigen Teufelsbach entlang, einfach schön, wäre es nicht so verdammt langsam! Tobi beschließt nun sich wieder dem Betreuer Team auf vier Rädern anzuschließen, welch eine clevere Entscheidung.
Es folgt ein sehr langes Bergaufstück und die Ski bewegen sich nur noch Zentimeter nach vorne. Ich rede mir ein, es wird bestimmt bald wieder kälter, der Schnee zieht an, es wird schneller und alles gut. Geduld ist gefragt. Ich kämpfe, versuche ruhig zu bleiben und Kraft auf die Stöcke zu bringen, no matter what! Als ich die Skihänge von Mitterfirmansreut quere, wird die Gleitphase wieder etwas länger und eine Abfahrt bringt einen Moment der Erholung. Den nächsten knackigen Anstieg kurz vor Philippsreut nehme ich mit dem Wissen dort eine ordentliche Pause einzulegen, um für das Finale der Bayerwaldloipe gerüstet zu sein. Nach mehr als 120 Kilometern und neuneinhalb Stunden auf den Langlaufski komme ich in Philippsreut an. Es ist Zeit für Veränderung! Meine Schuhe sind komplett durchnässt, ein Gefühl als würde ich im Teufelsbach stehen, macht sich breit. Ich fröstle leicht und kann es kaum erwarten in trockene Kleidung und vor allem trockene Schuhe zu wechseln. Mein Magen knurrt, hat aber definitiv keine Lust mehr auf süße „Sportspeisen“. Der Nudelsalat meiner Mutter ist in diesem Moment der mit Abstand beste Nudelsalat den ich je gegessen habe und bringt ein Stück Normalität, das gut tut. Während ich die Nudeln geradezu verschlinge, beschreibt mir Mario detailliert den letzten Teil der Strecke. Frisch aufgetankt, starte ich in das Finale und weiß, nun kann mich nichts mehr stoppen!
Das Finale
Vorbei an Schwarzenthal und in einem Bogen um Langreut! Tatsächlich, der Schnee wird schneller und das Profil der Strecke gönnt mir höhere Geschwindigkeit, Jandelsbrunn ich komme! Es folgen tolle Abfahrten über weite Wiesenflächen, leichtere Gegenanstiege, ich habe freie Fahrt und erreiche Haidmühle. Die Dämmerung setzt ein. Nun geht es auf einer alten Bahntrasse weiter, die Spur wird immer schneller, das Gelände ist flach, meist sogar leicht abschüssig und ich habe wieder einen Mitstreiter. Foto Tobi ist neben mir, hat ein Lächeln im Gesicht und stellt fest, jetzt macht es Spaß, jetzt geht’s ab! Wir lassen das Schneemus von Finsterau hinter uns und geben so richtig Gas, 15 Kilometer to go, dem Ziel entgegen. Ich denke an die Morgenstunden zurück, gestartet im Scheinwerferlicht der Stirnlampe, den ganzen Tag auf den Ski verbracht und nun war es an der Zeit die Lampe wieder anzuknipsen. Die letzten fünf Kilometer ab Neureichenau folgen wir dem Lichtkegel, das Gefühl ist fantastisch, fast schade, dass wir bald da sein werden.
Nach 11:40 Stunden, über 145 Kilometer und 2.500 Höhenmeter erreiche ich das Ziel der Bayerwaldloipe in Jandelsbrunn. Mit dem Gelingen des Projektes #bayerwaldoipe geht ein großer Traum in Erfüllung und ich danke allen die es möglich gemacht haben! Ohne die Organisation von Mario und seinem enormen Durchhaltewillen, die Motivation diese lange Reise auf Langlaufski durchzuziehen, mit allem was dazu gehört und egal was kommt, wäre es nicht zu schaffen gewesen, vielen, vielen Dank! Foto Tobi, danke für sensationelle Bilder und den Support auf und neben der Strecke, das war Weltklasse!! Danke an meinen Dad für perfekte Rundum-Betreuung und vierzehn Stunden Fahrservice. Danke an unsere Familien die uns die Zeit dafür geben und sich mit uns freuen 🙂
P.S. Durch einige unfreiwillige Extraschleifen meinerseits schätzt Streckenchef Mario die zurückgelegte Distanz auf 160 Kilometer und über 2.500 Höhenmeter. Ich habe die gesamte Strecke in der Doppelstocktechnik zurückgelegt bis auf circa drei bis vier Kilometer. Beim Telefonieren mit Mario, einigen Trinkpausen und ein paar Abschnitten, die sehr weich waren, wechselte ich auf die Skating Technik, um überhaupt vorwärts zu kommen. Gewachst hatte ich auf beiden Fischer Speedmax DP Ski Start HF 8 und die Pulver FHF 5 mit SF 40 gemischt plus Flüssigwachs. Fünf mal wurden die Ski gewechselt und immer neu mit Start Flüssigwachs präpariert.
Falls ihr Fragen habt, meldet euch gerne direkt bei mir: thomas.freimuth@ausdauernetzwerk.de
Hallo Trainer 🙂
spannendes Projekt und toller Bericht!
Wenn Corona vorbei ist, würde ich auch gerne sowas in Angriff nehmen. Allerdings müsste ich wohl eine Übernachtung einplanen …
Auf meiner „bucket-list“ steht auch noch die Strecke des „Rucksacklaufs“ im Schwarzwald. Ein ähnliches Projekt 🙂
Grüße Thomas