Von Michael Richter
An einem Donnerstag im Juli bin ich pünktlich 14 Uhr von Arbeit in Dresden gestartet, um mit dem Mountainbike nonstop nach Karlshagen auf die Insel Usedom zu radeln. Anfangs war der Wind mir gewogen und es fuhr sich flott bis zum Oder – Neiße – Radweg. Nach einem Snack im Supermarkt in Forst ging es hinein in die Nacht immer an der Oder entlang. Gegen 3.30 Uhr musste ich einen Kurzschlaf auf einem Holztisch einschieben, um nicht seitlich in den Graben abzudriften. Das Vergnügen währte nicht lang – es war einfach zu kalt. Der Nebel wabberte in unheimlicher Stimmung von der Oder herüber. Später habe ich erfahren, dass diese sternklare Nacht ganze 9°C warm war. Ich hatte alles an, was ich mithatte, inklusive Regenjacke und war trotzdem fröstelnd unterwegs, als sich endlich die Sonne zeigte. Der Optimismus kam zurück, aber leider auch der Gegenwind. In Höhe des Stettiner Haffs musste ich nochmal ordentlich bei einem Bäcker zugreifen, damit waren dann auch die letzten 60 km zu schaffen. 17 Uhr stand ich auf dem Zeltplatz in Karlshagen, 550 km in den Beinen, 23 Stunden im Sattel und 27 Stunden unterwegs. Zum Glück war das Zelt schon aufgebaut. Der Sprung in das kalte Wasser der Ostsee musste trotzdem noch sein und nach einer warmen Dusche ging es für 12 Stunden ab in den Schlafsack. Wir erholten uns eine Woche mit Volleyball spielen, schwimmen, radeln und erfreuten uns an tollen Spielen im Rahmen des Usedom Beach Cups, dem wohl größten Beach Volleyball Turnier mit über 1000 Teilnehmern auf 96 Feldern.
Danach sind wir zu zweit mit der Fähre von Saßnitz nach Trelleborg übergesetzt. Mit zwei Packtaschen und damit geringem Reisegepäck wollten wir in einer Woche hinauf zum Vätternsee, um diesen herum und zurück zur Fähre. So weit der Plan, der in den ersten zwei Tagen bis nach Jönköping am Südende des Sees recht gut aufging. Es folgte der erste saftige Regentag gespickt mit zwei Platten, die unter einer Brücke bzw. unter einem Scheunendach behoben wurden. Wie fast zum Hohne sind wir im alten schwedischen Seebad in Hjo gelandet. Dort haben wir in einer netten alten Villa übernachtet und uns vorher in der Sauna aufgewärmt. Letzteres war ab sofort eines der wichtigsten Kriterien bei der Auswahl der Unterkunft. Früh bin ich eine Runde im See geschwommen, gar nicht mal unangenehm, da die 15°C im Wasser wärmer waren als die Außentemperatur.
Mit viel Rückenwind hielten wir am nächsten Tag auf das Nordende des Sees zu. Bisher hatte uns Komoot gut geroutet, aber an der Wende unserer Tour wurden wir auf eine Schnellstraße geleitet. Mittelbegrenzung, Seitenleitplanken und reichlich LKW´s waren ein Himmelfahrtskommando. Nach 5 km gab es endlich eine Abfahrt. Ein riesiger Umweg war nötig, um die verbleibenden 35 km bis Motala zu bewältigen. Zu allem Überfluss standen wir mit Google Maps irgendwann im Wald auf einer nicht mehr existierenden Straße. Also umkehren und einen noch größeren Bogen fahren. 70 km benötigten wir seit dem Abbiegen von der Schnellstraße bis zum Tagesziel. Mit 160 km in den Beinen und den navigatorischen Problemen war es ein langer, langer Tag.
Auch der nächste Tag war trocken, allerdings mit einer neuen Herausforderung: straffer Gegenwind! Wir schafften es trotzdem bis Jönköping und hatten damit zumindest schon mal den See umrundet. Gemütlich in der Sauna sitzend planten wir den Rest der Tour, um neben den gruseligen Wettervorhersagen mit Dauerregen und Sturm von einer echten Hiobsbotschaft überrascht zu werden: Unsere Fähre ist ab übermorgen für zwei Tage gecancelt! Die beiden Reservetage sind somit nicht nur wetterbedingt dringend nötig. Und das Wetter ist inzwischen wirklich nicht mehr lustig. Wir versuchten Regenlücken zu finden, um wenigsten zwei Stunden im Trockenen fahren zu können. Mittags war an den nächsten beiden Tagen Schluss und die Sauna dringend nötig. Es ist schon irgendwie angenehm, bei 70°C nach draußen zu schauen, wo sich die Bäume biegen und der Regen an die Scheibe peitscht. Mit voller Regenbekleidung und Plastetüten um die Schuhe, um bei 11 Grad und Wasser von allen Seiten möglichst lange warme Füße zu behalten, haben wir auch diese Tage überstanden und uns bis Trelleborg durchgekämpft. Die Fährüberfahrt nach Saßnitz war eine sehr unruhige und gewisse Tüten wurden stark nachgefragt.
Wir waren froh, als wir in unserem Auto saßen und im Trockenen und Warmen die Heimreise antreten konnten. Bei der Revue der letzten Tage war es dann doch nicht mehr ganz so schlimm und nass…. Die 1100 km zum und um den Vätternsee hatten es in sich, aber wir haben viel erlebt und waren definitiv ganz weit weg vom Alltag, denn es gab nur radeln, essen, schlafen und die fortwährende Sehnsucht nach Wärme.