Das erste Rennen der Saison. Wo bin ich, wie stark bin ich? Das fragt sich wohl jeder Sportler zum Start der neuen Saison. Mit einem Fragen Karussell im Kopf reise ich ins steirische Herz der Langläufer. Ramsau am Dachstein – Austragungsort der Nordischen Ski WM 1999, Weltcup Station der Kombinierer. Unter den steilen Flanken des Dachstein liegt das Hochplateau der Cross Country Familie. Jährlich im Jänner treffen sich Hobbysportler um sich im Rahmen der TOUR DE RAMSAU zu messen. Dem einzigen Langlauf Mehrtages Rennen für Amateure. Freitagabends ein 2 km Sprint im WM Stadion. Samstag wählt man zwischen 10 oder 30 km Klassik. Sonntags dann das Finale mit 30 km Skating oder 10 km Skating. Man hat also die Möglichkeit sich zwischen einer kurzen und einer langen Tour zu entscheiden. Sehr Löblich! Da ich aber noch gar nicht weiß wo ich stehe meldete ich mich nur für den 30er Skating an. Nach Handknöchel Stauchung beim Rennrad fahren und einer Rippenprellung beim Langlaufen(!) ist der Herbst ohne nennenswertem Training vergangen.
Die Strecke war für mich neu, das war nicht so gut. Ich stehe bei bestem Wetter am Start, bewusst ganz hinten. Ich wusste ja nicht wie der Tag ausgehen wird. Später werde ich zu mir sagen: “Vorne wäre es besser gewesen“. Aber ok. Man ist auch mit 50 noch lernfähig. Legende Alois Stadlober nimmt das Mikro in die Hand und begrüßt uns. Mit erhobener Stimme weist er uns darauf hin, dass es etwas eisig ist und dass ein paar schwere Abfahrten auf uns warten. „Lasst eich Zeit!“ bei den kritischen Stellen. Eh klar, Vorsicht ist die Mutter der Carbon Ski und Stecken. Mit 200 anderen Skatern geht’s hinaus ins Langlauf Paradies. Wir teilen uns die ersten 5km mit dem 10km Feld. Dem entsprechend ging es zu wie in der Metro in Tokio. Bei KM Sechs geht’s das erste Mal richtig rund oder besser gesagt bergab. Auf einer sehr schwarzen Loipe (rund um den Rittisberg) geht’s in eine Art Bob Bahn talwärts. Man fährt Pflug. Die schnellen Füchse vorher sind wohl noch in der Hocke gefahren. Es geht rasend schnell runter und schon sehe ich den ersten Läufer im Wald liegen. Das wird eine harte Nuß, dieser 30er. Zu den 30km kommen noch fast 700 Höhenmeter! Die müssen irgendwo bewältigt werden.
Ski Heil in der Bobbahn
Nach der ersten Abfahrt schlängelt sich die schöne Loipe den Rittisberg hinauf. Kehre um Kehre geht’s bis auf 1250m. Und wieder runter, jetzt sonnseitig, kitschig schön Richtung Sonnen Alm mit Labe Station. Kurz vorher sehe ich wieder einen Läufer schmerzverzerrt am Rand liegen. Die Rettung ist aber schon unterwegs. Ich meistere auch diese heikle Stelle und nehme etwas Tee zu mir. Ich nehme mir vor es weiter ruhig anzugehen, nur nicht stürzen. Nach der Sonnen Alm sind 10km hinter mir und es geht wieder Richtung Ramsau. Das schlimmste ist hinter mir dachte ich mir. Aber dem war nicht so, das schlimmste stand kurz bevor! Etwas überraschend ging es nochmal in eine kleine aber umso schwierigere Abfahrt. Da Pflug gefahren wurde und es gefroren hatte in der Nacht war ich wieder in einer Bob Bahn. Ich bremste und bremste und da krachte es schon. So schnell konnte ich nicht „Ramsau“ sagen, lag ich im Graben. Da eine Rettungsgasse hier nicht Pflicht ist und auch kein Platz wäre rammte mich ein Läufer von Hinten und aus war‘s mit der Gaudi. Ich rutschte tiefer und tiefer. Mein erster Gedanke: „Sind die Ski kaputt?“ Nein sie waren noch ganz. Das passte schon mal, dann prüfte ich meine Knochen und spürte Schmerz. Mir tat der Allerwerteste doch sehr weh. Holy Shit. Die (Berg)Rettung stand Gottseidank bei allen kritischen Plätzen parat. Sie stützten mich und brachten mich in flacheres Gelände. Danke Buam. Nach zehn Minuten stand ich wieder und ab in den nächsten Downhill. Nicht mehr so schwer aber in Anbetracht der Vorgänge war es schon zaach! Und ich verlor damit „wertvolle Minuten“ und fast 20 Ränge. Aber nein, das war mir jetzt egal, Platz 140 oder Platz 160 was Solls. Das ist Langlauf an der Wahrnehmungsgrenze.
Ich quälte mich weiter Richtung Vorberg und Kulm. Die Sonne schmolz das Eis und der Schnee wurde „Batzig“ wie wir dahoam sagen. Es saugte mich in den steirischen Schnee. Während ich so langsam dahin gleite kommen immer wieder Zurufe vom Publikum. „Heh du schaust aber nu guat aus, bist nu schee stabil“. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Waren es Kundgebungen von Ungläubigen oder von Tourismus Managern die mich auch später in der Ramsau als Gast wieder sehen wollten. Die letzten Kilometer zogen sich wie ein Strudelteig aber der Schweiß war nicht süß. Zum Abschluss durfte nochmal der Ramsauer Hausberg, der Kulm bezwungen werden. Wenn wir schon mal hier sind, hat sich der Streckenchef wohl gedacht. Noch vier Kilometer. Nur noch bergab. Ein paar scharfe Kurven. Noch 2 Kilometer. Sie nützen wirklich jeden Meter Almwiese aus. Nochmal eine scharfe Steilkurve rauf und runter. Jetzt wird’s es wohl gewesen sein mit den Überraschungen. Falsch. Noch 500m bergab, die Geschwindigkeit steigt und ich sehe die Loipe nicht mehr. Die Augen schmerzen vom Wind und der Schatten macht alles dunkel, ich erkenne nix mehr. Plötzlich ist hier eine 180 Grad Kurve, die nicht gekennzeichnet ist. Gar nicht! Ich kratze die (Eis) Kurve aber stilsicher und hopp über die Ziel Brücke und Schwupps ich bin im Ziel.
Nach zwei Stunden und 13 Minuten empfange ich meine wohlverdiente Finisher Medaille. Ich trinke ein Bio Heißgetränk und unterhalte mich mit einem Läufer der Blutverschmiert über die letzte Eis-Kurve sinniert. Er hat sie auch nicht gesehen. Es hat ihn „dawuzelt“. Mit stolzer Brust und geschwelltem Hinterteil verlasse ich die Arena. Next Stop Saalfelden. 21 Km Skating. Da wird es wohl weniger aufregend, weil es dort ziemlich flach ist, aber natürlich umso schneller.