Mit der Weltelite des nordischen Skisports die Loipe teilen und auf 3.000 Metern Höhe um den knapp bemessenen Sauerstoff konkurrieren – das erlebt man nicht alle Tage! Doch genau dieses Privileg genossen 39 ambitionierte Langläufer Ende Oktober auf dem Dachsteingletscher. Unter der Leitung des Skilanglaufweltmeisters Alois Stadlober und dem ehemaligen Weltcupläufer Martin Tauber und seinem Trainerteam der Cross Country Academy aus Seefeld wurde über drei Tage hinweg konzentriert an der Langlauftechnik und am optimalen Stand über dem Ski gearbeitet.
Rundumversorgung im Sporthotel Matschner
Freitagabends fand sich die Gruppe im Sporthotel Matschner in Ramsau am Dachstein (1135 m ü.M.) ein. Von meiner Campteilnahme im Vorjahr wusste ich bereits, welche kulinarischen Köstlichkeiten man hier erwarten durfte und dass der Wellnessbereich sowie die gemütlichen Zimmer optimale Erholungsmöglichkeiten nach den kräfteraubenden Trainingseinheiten boten. Nach der Begrüßung und Bekanntgabe des Programms blickten wir voller Tatendrang auf die bevorstehenden Tage. Nun galt es zu entscheiden: Klassisch oder Skating? Top-Trainer und neuestes Top-Material der aktuellen Saison standen für beide Disziplinen bereit. Zwischen den Marken Fischer, Salomon und Atomic fiel die Entscheidung bei der Skiauswahl nicht leicht. Nur gut, dass nach dem ersten Trainingstag noch zwei weitere Tage blieben, an denen munter gewechselt werden durfte.
Training auf knapp 7,5 Kilometer Gletscherloipe
Und dann war es endlich so weit: Hinauf ging es mit der Dachstein Seilbahn in nur acht Minuten auf 3.000 Meter Höhe. Die bunten herbstlichen Blätterdächer ließ man schnell unter sich und schwebte nur mehr über den steil abfallenden Dachsteinsüdwänden. Als die Bergstation erreicht war, bot sich ein unvergleichliches Bild: Etwas unterhalb erstreckte sich die serpentinenförmige Dachsteinloipe im Schatten, auf der sich bereits unzählige Langläufer tummelten. Im Hintergrund das leuchtende Bergpanorama unter dem strahlend blauen Himmel. Nicht nur die dünne Luft ließ unsere Herzen nun schneller schlagen. Wir wollten selber ran und konnten es kaum erwarten, uns unter die Athleten zu mischen. Nach den ersten beschwingten Kilometern ließ sich die Atemlosigkeit nicht mehr allein der herrlichen Kulisse zuschreiben. Dankbar nahmen wir entsprechend die Verschnaufpausen wahr, um den Technikdemonstrationen der Trainer zuzusehen. In zwei Klassik- und zwei Skatinggruppen aufgeteilt, hieß es üben, üben, üben. „Hüfte aufrichten! Kraftvoll abstoßen!“, so tönten die Rufe in den Klassik-Gruppen, die man häufig ohne Stöcke beobachten konnte. Zeitgleich erklärte Alois Stadlober seiner Skatinggruppe das hohe Lied vom langen Gleiten und wurde nicht müde zu erklären, wo der Körperschwerpunkt hingehört!
„Vorsicht, Cologna will vorbei!“
Wem die saubere Technik der Trainer als Orientierung nicht genügte, der hatte ausreichend Gelegenheit, sich bei den aktuellen Topläufern der Langlauf- und Biathlonszene etwas abzuschauen. Nicht zuletzt erkannte man das eine oder andere Gesicht eines nordischen Kombinierers. Da geht man doch gerne aus der Spur, um danach sofort Körperspannung aufzubauen und wenigstens ein paar Meter die Verfolgung aufzunehmen. Es lässt sich kaum beschreiben, wie man in den Gletscherloipen des Dachsteins den Alltag einfach vergessen kann. Für drei Tage lang waren der aufrechte Oberkörper und der Stockeinsatz zum richtigen Zeitpunkt so ziemlich die größten Probleme die man hatte …
Rollskitraining, Kräftigung und Koordination
„Kilometer fressen ist nicht alles!“ So lautete die eindringliche Botschaft der Trainer an den Nachmittagen. „Alles klar, der Anweisung folgen wir gerne“ – dachten wir uns und stärkten uns ordentlich am Mittagsbuffet, um anschließend das Leben bei Kaffee, Kuchen und Desserts zu genießen. Gegen halb vier begriffen wir allerdings, was die Trainer uns eigentlich hatten sagen wollen: Vorbei war’s mit der Schlemmerei. Nun hieß es, die süßen Sünden wieder abzubauen! Variantenreiches Sprungtraining, Koordinations- und Kräftigungsprogramm mit Fitness-Tubes wurden durch Martin Tauber und Thomas Unterfrauner angeleitet. Am Fuße der Sprungschanzen wurden Schrittsprünge geübt, die – konsequentes Wiederholen den Sommer über vorausgesetzt – den Beinabdruck im Winter dynamischer und kraftvoller werden lassen. Gleichgewichtsaufgaben und Übungen zur Koordinationsschulung waren nur eine Auswahl dessen, was die Trainer den wissbegierigen Teilnehmern mit auf den Weg gaben. Währenddessen waren Alois Stadlober und Peter Schwandl mit einem stattlichen Teil der Gruppe auf der Ramsauer Skirollerstrecke unterwegs. Erneut stand ein breites Sortiment der neuesten Rollerausrüstung zum Testen bereit. Immer wieder ertönte ein Pfiff durch den Wald, gefolgt von einer Gruppe aus Topathleten, die in atemberaubendem Tempo vorbeirauschte. Und da soll noch einer sagen, Skirollern sei öde. Auch hier wurde wieder einzeln vorgefahren und die Technik bei jedem Teilnehmer individuell verfeinert. Die größte Herausforderung war es, sich die wesentlichen technischen Merkmale für die Trainingseinheiten zu Hause wenigstens in der Theorie zu merken.
Bereit für die Wintersaison
Wie im Fluge gingen die Gletschercamp-Tage vorüber. Nach Techniktraining, Videoanalysen und Wachslehrgängen hieß es Abschied nehmen, einerseits von den Trainingskollegen und andererseits leider auch von der traumhaften Landschaft. Nur ungern überließen wir die Dachstein-Loipe wieder den Profis. Doch mit den Gedanken an die bevorstehende, hoffentlich schneereiche Saison machte sich schnell Vorfreude breit. Denn wenn die heimischen Loipen bald gespurt sind, sieht unsere Langlauftechnik womöglich schon ein ganzes Stück sauberer aus. Und mit jedem kraftvollen Stockschub wird uns bewusst: Langlauf ist und bleibt die schönste Nebensache der Welt!