Der Skating-Ski Teil 1: Schnee, Loipe und Skireibung - xc-ski.de Langlauf

Der Skating-Ski Teil 1: Schnee, Loipe und Skireibung

Schneekristalle © Felgenhauer/Nordic Focus

Von Joachim Tambosi

Teil 1 des Aufsatzes zum Skating-Ski befasst sich mit Schnee & Loipe und den Ursachen für die Skireibung.

Schnee und Loipe

Die vielfältigen Schnee- und Loipenbedingungen sind bekanntermaßen die Führungsgröße, an der die Materialauswahl auszurichten ist. Über die Schneeentstehung und die sich danach anschließenden Umwandlungsprozesse gibt es umfangreiche, leicht zugängliche Dokumentationen. Die nachfolgende Beschreibung fokussiert sich deshalb nur auf die für den Langlauf relevanten Besonderheiten.

Naturschnee: Die Eiskristalle wachsen von innen nach außen durch schrittweises Anlagern von Wasserdampf und fallen durch das immer weitere Anwachsen (Gewicht) zu Boden. So entstehen bei Neuschnee vielfältige, filigrane Kristalle, die sich im Zuge der Alterung verändern (s. Umwandlung). Die Eigenschaften von Naturschnee hängen stark von den lokalen klimatischen Bedingungen ab.

Kunstschnee: Ist in den Loipengebieten sehr verbreitet vorzufinden. In kalter Luft fein versprühte Wassertropfen gefrieren von außen nach innen und fallen zu Boden. Die Eiskristallbildung erfolgt schnell in kurzer Zeit, dadurch bildet sich eine körnige, kompakte Form der Eiskristalle aus. Eine damit ausgebildete Schneeschicht ist deshalb sehr kompakt und dicht (schwerer Schnee).

Umwandlung: Schneekristalle reagieren sehr empfindlich auf äußere Einflüsse, insbesondere wechselnde Schmelz- und Gefriervorgänge durch Temperaturänderungen. Hinzu kommen mechanische Einwirkungen durch Wind und Befahrung, als auch durch die Loipenpräparierung (abbauende Umwandlung). In der Folge bilden sich zunehmend körnige Formen aus und nähern sich dem Kunstschnee an. Es gibt umgekehrt auch die aufbauende Umwandlung, dabei lagert sich Wasserdampf an bestehende Altkristalle wieder an (hin und wieder bei kalten Bedingungen spürbar, wenn die Loipe an Bachläufen vorbei führt (Stumpfheit)). In Bild 1 sind die Umwandlungsstadien dargestellt.

Bild 1

Die Einschätzung der Schneebedingungen in Bezug auf das Reibverhalten ist anspruchsvoll. Kenngrößen zur Orientierung sind deshalb hilfreich. Leider ist nur ein Bruchteil davon der Messung zugänglich.

Schneetemperatur: Ist ein Maß für die Härte der Eiskristalle, die mit fallender Temperatur stark zunimmt und zu hohen Reibwiderständen führt. Sie wird vergleichsweise bei -30° C mit der von Härte von Kalksandstein verglichen. Wichtig ist auch der Abstand zum Schmelzpunkt, so kann auf die zu erwartende Schmelzwassermenge durch Reibungswärme geschlossen werden. I. d. Regel wird allerdings die Lufttemperatur (LT) herangezogen in der Annahme, dass sich die Schneeoberfläche diesbezüglich angeglichen hat. Dies ist jedoch nicht immer der Fall und entsprechend zu berücksichtigen.

Schneekristallform und Größe: Gerade bei verzweigten, spitzen Schneekristallen, die kalt / hart sind, ist sicherlich gut nachzuvollziehen, dass ein Gleiten darauf schwerer fällt (Bild 1A), als über runde, körnige Formen (Bild 1B).

Wasser / Feuchtigkeit: Der damit verbundene Einfluss auf das Gleiten ist erheblich und kann je nach Menge vor- oder nachteilig sein.

Schneedichte- und Konsistenz: Wirkt insbesondere im Zusammenhang mit dem Plough- Widerstand

Schnee- Verschmutzung: Beschichtung und Belag reagieren hier sehr empfindlich.
Loipenzustand: Der Schnee liegt in der Regel als präparierte Loipe vor (verdichtet, geglättet). Je nach Umgebungsbedingungen ist die Fahrspur fest, hart, weich, tief, trocken, feucht, nass oder eisig. Schnee ist immer im Zusammenhang mit dem Loipenzustand zu betrachten. Über den Ski wird das Gewicht des Skiläufers auf die Loipe abgetragen, dadurch bildet sich je nach Bedingungen zwischen beiden eine spezifische Kontaktfläche aus. Bei der Temperatur der Schneeoberfläche in Verbindung mit der Loipe ist folgendes zu beachten: Die Temperaturbedingungen ändern sich i. d. R. im Tag / Nachtwechsel erheblich. Die Schneemasse der Loipe speichert quasi die Nachtkälte. Scheint am Morgen die Sonne, so erwärmt sich zunächst die Oberfläche (dünne Schicht, auf der gefahren wird) stärker, als die darunter liegende Loipenmasse. Umgekehrt geschieht das ähnlich, wenn am Nachmittag die Sonne schwindet, kann die Loipenoberfläche bereits wieder anfrieren wenn die Sonne schwächer wird oder die Lufttemperatur noch über dem Nullpunkt liegt. Die Einschätzung der Schnee/Loipensituation braucht auch deshalb ein gehöriges Maß an Erfahrung.

Grundlagen Reibung Langlauf Ski

F Ski = F Trocken + F Wasser + F Abrasion + F Plough

Die beim Gleiten zu spürende Widerstandskraft setzt sich aus vier Kraftkomponenten zusammen, die je nach Umgebungsbedingungen in unterschiedlichem Maße wirksam werden. Für sich jeweils isoliert betrachtet, lassen sie sich in groben Zügen folgendermaßen beschreiben:

F Trocken: Diese Widerstandskraft entsteht an den Kontaktstellen zwischen Ski und Loipe durch das ineinander „Verzahnen“ (Bild 2) der Oberflächenrauigkeiten, die sich beim Gleitvorgang gegeneinander bewegen ohne dabei Material abzutragen oder zu verformen. Die Größe von F Trocken wird durch das Gesamtgewicht des Fahrers, der Oberflächenrauigkeit (Reibwert µ) von Ski-Belag und Loipenoberfläche bestimmt.

Bild 2

F Wasser: Werden zwei aufeinanderliegende mit Wasser benetzte Flächen (Ski & Loipe) gegeneinander verschoben, entsteht eine Widerstandskraft durch die „Scherung“ des dazwischen befindlichen Wassers (die Wassermoleküle gleiten aufeinander ab). Die Größe von F Wasser wird bestimmt durch die vom Wasser benetzte Fläche, die Fahrgeschwindigkeit, die Zähigkeit des Wassers und durch den Abstand der Flächen zueinander. Beim Skigleiten ist dieser Abstand extrem klein, es bilden sich nur dünne „Wasserfilme“ (Mikro- bis Nanometerbereich) [2]. Die Reibung beim Gleitvorgang erzeugt Wärme, so kann sich auch bei tiefen Temperaturen bis etwa -30°C noch Schmelzwasser bilden [1]. Im warmen Bereich kann sich ein durchgängiger Wasserfilm über die gesamte Skiauflagefläche erstrecken (Bild 3). Im kalten Bereich ist es eher so, dass nur wenige Kontaktstellen auf der Skiauflagefläche dünn mit Wasser benetzt sind (Bild 4). Das führt dazu, dass es noch zwei weitere Mechanismen für F Wasser gibt. Die Adhäsionskraft und die Kohäsionskraft. Aus Komplexitätsgründen wird hier nur insoweit darauf eingegangen, dass ihre Größen in erster Linie ebenfalls durch die benetzte Fläche bestimmt werden [2]. Bei der Adhäsionskraft kommt die Eigenschaft der Gleitfläche hinzu (Art der Beschichtung, ggf. Belag und Verschmutzung) Die F Wasser verursachenden Wirkmechanismen haben also für die Einflussnahme auf die Reibung alle den gleichen Hauptansatzpunkt: das ist die vom Wasser benetzte Fläche.

F Abrasion: Diese Widerstandskraft entsteht an den Kontaktstellen zwischen Ski und Loipe, die sich beim Gleitvorgang gegeneinander bewegen. Haben diese Materialien an den Kontaktstellen eine unterschiedliche Härte, so kann das Härtere in das Weichere eindringen, sobald die Kraft, welche auf die Kontaktfläche wirkt, die Belastbarkeit des Materials überschreitet. Das ineinander „Verzahnen“ von Oberflächenrauigkeiten begünstigt diesen Vorgang. In der Folge wird das weichere Material abgetragen (Abrasion). Die Größe von F Abrasion wird durch die Härte der Materialien und der Flächenpressung bestimmt. Die Härten von Ski-Belag, Beschichtung und Eis sind in ihrer prinzipiellen Abhängigkeit von der Temperatur in Diagramm (Bild 5) aufgetragen. Im wärmeren Bereich sind zunächst die Schneekristalle noch weicher. Mit fallender Temperatur kehrt sich das um. Die Kristallhärte überschreitet zunächst die der Beschichtung und im weiteren Verlauf auch die des Ski-Belags. Damit steigt auch F Abrasion und der Materialverschleiß.

Bild 5 [3] Vom Autor ergänzt mit aktuellen Werten für Belagsmaterial (gelbe Kurve), Beschichtung (grün, kaltes Wachs) Eis-Härte (blau) unverändert

 

 

 

 

 

F Plough: Beim Gleiten schiebt sich der Ski auf die vor ihm liegende Schneedecke und „drückt“ dabei den Schnee unter sich zusammen und verdichtet ihn (Kristalle brechen, werden ineinander geschoben). Im weiteren Verlauf wird die Spur glatt gefahren (Bild 6) und auch dabei werden Kristalle gebrochen, man kann auch sagen „gemahlen“. Ähnlich verhält es sich, wenn feinkörniger Schnee in die Oberflächenstruktur hineinpasst und dadurch mitgeschleift wird, dann reibt Schnee auf Schnee. (auch das ist Abrasion, jedoch auf der „Schneeseite“, sie wird ordnungshalber dem Plough zugeordnet). Schnee wird auch vor der Skischaufel hergeschoben, ggf. auch vom Schuh. All das wird in der Widerstandskraft F Plough zusammengefasst. Ihre Größe hängt von der Konsistenz der Schneedecke (beschrieben durch Schneeart, Temperatur, Feuchte, Dichte) und dem ihr gegenüber stehendem Flächendruck ab (beschrieben durch Gewichtskraft und der sich ausbildenden Kontaktfläche Ski & Loipe). Bei bestimmten Verhältnissen kann auch über die Fahrgeschwindigkeit ein Aufschwimmen erreicht werden. Für schwere Athleten sind Bedingungen mit hohem Plough-Anteil von Nachteil.

Bild 6

Zusammenwirken der Einzelkomponenten: Die Ausprägung der Einzelkomponenten wird von den jeweiligen Loipenbedingungen bestimmt. Wie sich die daraus zusammensetzende Gesamtkraft F Ski dabei verhält, dazu soll die Prinzipdarstellung (Bild 7) eine grobe Orientierung geben. Besonders interessant ist der Bereich um das Minimum (gestrichelte Linie), hier ergänzen sich F Trocken und F Wasser in vorteilhafter Weise. Bewegt man sich in Richtung links davon nach „kalt, trocken“ steigt F Ski aufgrund der Komponenten F Trocken und F Abrasion. In der anderen Richtung nach warm / feucht steigt F Ski aufgrund F Wasser und auch F Plough (wird es sehr warm, so wird es auch weich bei hoher Dichte) F Plough verschiebt die Gesamtkurve in vertikaler Richtung (z. B. durch Neuschneeauflage).

Bild 7 Prinzipdarstellung, abgeleitet von Stribeck-Kurve [4]
Quellen:
[1] Kietzig, Hatzikiriakos, and Englezos, Physics of ice friction
[2] Bäurle, Lukas, Sliding friction of polyethylene on snow and ice
[3] By S.C. COLBEC, THE KINETIC FRICTION OF SNOW. 1988

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