Der Skating-Ski Teil 2: Konstruktion und Oberflächenstruktur - xc-ski.de Langlauf

Der Skating-Ski Teil 2: Konstruktion und Oberflächenstruktur

Werksbesuch Kästle: Schliffkontrolle © Felgenhauer/xc-ski.de

Von Joachim Tambosi

Teil 2 des Aufsatzes zum Skating-Ski befasst sich mit den Funktionalitäten der konstruktiven Skiausführung und der Oberflächenstruktur.

Der Skating-Ski: Funktionalitäten zur Widerstandsreduzierung

Die Hersteller bieten Ski in verschieden Ausführungen an, gestaffelt in Preis und Qualitätsklassen (Materialien, Gewicht, Herstellungsaufwand), je nach Kundenwunsch für Rennlauf- oder Hobbybereich. In der Topkategorie finden sich spezifische Varianten für den Kalt- oder Warmbereich, sowie für feste oder weiche Bedingungen. Der individuell passende Ski richtet sich nach dem Körpergewicht (Systemgewicht), der Körpergröße und dem technischen Fahrkönnen. Damit wird aus der Staffelung des Herstellers über Ski-Steifigkeit- und Länge und ggf. die Loipenbedingungen der Ski ausgewählt. Eine sachkundige Beratung ist hierbei unbedingt zu empfehlen. Einige Fachhändler haben sich darauf spezialisiert. Mit spezieller Messtechnik können sie aus ihrem Fundus herstellungsbedingte Toleranzen innerhalb der Staffelungen nutzen, um eine genauere läuferindividuelle Passung zu finden. Dabei werden belastungsabhängig weitere Kenngrößen ermittelt: Skispannung, maximale Ausdruckskraft, Frei-Lage bzw. Auflagefläche, öffnende oder anliegende Skischaufel (in Summe auch Biegelinie genannt). Diese Größen sind auch zur Anpassung an spezifische Loipenbedingungen sehr hilfreich. So lässt sich die Auflagefläche (Makro-Kontaktfläche), das haben Messungen gezeigt, in einer Größenordnung von etwa 40% variieren, ohne dass die grundsätzliche Passung des Skis für den Athleten verlassen wird.

Das Grundmaterial der Gleitfläche (Belag) besteht heute ausnahmslos aus „Ultra High Molecular Weight Polyethylene“ (UHMWPE), in verschiedenen herstellerspezifischen Varianten, versehen mit weiteren Zusätzen. UHMWPE besitzt herausragende Grundeigenschaften: sehr gute Wasserabweisung, geringe Wärmeleitfähigkeit, geringes Gewicht. Nachteilig ist die geringe Härte gegenüber Fremdkörpern (Beschädigung), bei sehr tiefen Temperaturen übersteigen die Eiskristalle auch die Belagshärte (Abrasion).

Mit der Gestaltung der Gleitoberfläche (Struktur) kann erheblich Einfluss auf das Reibgeschehen genommen werden. Dabei handelt es sich um kleine, in die Belagsoberfläche eingebrachte Riefen (ca. hundertstel bis zehntel mm Tiefe, Breite ca. zehntel mm Bereich, s Beispiel Bild 8). Die Hersteller bieten sie in Verbindung mit einer Skiausführung an. Ein weit größeres Spektrum bieten einige Fachhändler mit eigenentwickelten Belagsstrukturen für spezifische Schneebedingungen an, die in den Belag maschinell eingeschliffen werden. Es gibt auch die Möglichkeit Strukturen mit einem Werkzeug von Hand in den Belag einzuprägen, die jedoch beim Heißbügeln wieder zurückgeht (Belagsmaterial ist thermoplastisch). Handgeprägte Strukturen sind technisch bedingt gegenüber Schliffen in Feinheit und Variation begrenzt, im groben Bereich jedoch weiterreichender, da sie nach dem Beschichten aufgebracht werden.

Was bewirkt die Struktur? Der Blick auf die Vergrößerung eines Belagselements in Bild 9 lässt erkennen, dass der Kontakt zur Schneeauflage nur über die Struktur-Kuppen (Querschnittskizze Bild 10) zustande kommt [4, 5]. Die Kuppen ergeben somit die „Mikro-Kontaktflächen“, die sich über der Skiauflagefläche (Makro) verteilen.

Zur Anpassung an die Loipenbedingungen lassen sich Struktur-Geometrien in gewissen Rahmen gestalten, dabei ist es wichtig, dass sie mit der Ski-Biegelinie harmonieren. Zum besseren Verständnis dazu drei Praxisbeispiele mit Funktionsbeschreibung in grundlegender Form:

  1. LT -1°C, warme, nasse, weiche Loipe, grober Altschnee:
    Die Schneekristalle sind weich und rund und Wasser ist im Übermaß vorhanden. Damit dominiert F Flüssig und auch der Anteil von F Plough ist beträchtlich. Dem gegenüber sind die Anteile von F Trocken und F Abrasion vernachlässigbar gering.Vorgehen: Bei F Flüssig ist die beeinflussbare Hauptgröße die Kontaktfläche, genauer gesagt die vom Wasser benetzte Fläche der Gleitfläche. Wird sie kleiner, so verringert sich auch die Widerstandskraft F Flüssig. Gewählt wird daher ein Ski mit kleiner Auflagefläche, versehen mit einer tiefen, groben und unterbrochenen Oberflächenstruktur. Die Strukturkuppen führen zu einer weiteren, erheblichen Flächenreduzierung wie auch die Tiefe der Struktur, denn nur die Kuppen stehen im Wasser und werden benetzt. (man stelle sich im Gegenzug eine mit Wasser voll geflutete Struktur vor, welche Flächenzunahme dabei entsteht). Die Unterbrechungen verhindern, dass sich ein zusammenhängender Wasserfilm ausbilden kann und so die benetzte Fläche vergrößern würde. Da schließlich auch die Gewichtskraft über Ski und Loipe getragen werden muss, kommt es bei fortschreitender Flächenverkleinerung irgendwann zum Einsinken der Struktur in die Schneeauflage. Dadurch würde aber F Plough ansteigen, die Maßnahme hat also Grenzen.F Plough: entsteht durch Schneeverdichtung und -schieben. Dieser Anteil kann sich durch die Wahl eines Skis mit „öffnender, weicher Schaufel“ vermindern. Der Flächendruck steigt dadurch langsamer an und ermöglicht dem Ski sozusagen ein „Aufschwimmen“, bei passendem Verhältnis Körpergewicht/ Skifläche zur Schneetragfähigkeit.
  2. LT -10°C kalte, trockene, feste Loipe, Altschnee feinkörnig, lose:
    Die Eiskristalle sind härter. F Trocken dominiert, F Abrasion wirkt in kleinerem Umfang an der Beschichtung. F Flüssig kommt in geringem Umfang durch Schmelzwasser zustande. F Plough ist vernachlässigbar.
    Vorgehen: Trocken Reibung erfordert ein glatte Oberfläche, um den Schneekristallen keine Einhak-Möglichkeit zu bieten. Auch die Struktur selbst ist eine Rauheit und bietet Angriffspunkte, für die Komponente F Trocken ist sie ein Nachteil. Es gibt jedoch weitere Aspekte. Aufgrund der Lage im Bereich der „trockenen Dominanz“ (s. Kurve, Bild 7) wirkt Wasser zwischen den Festkörperkontaktstellen als Schmiermittel, sofern die benetzte Fläche nicht überhandnimmt. Doch wie ist bei -10°C Wasser flüssig zu bekommen? Beim Gleitvorgang entsteht Reibungswärme*. Es besteht nun die Möglichkeit über die Kontaktfläche die Wärme auf eine kleinere Fläche zu konzentrieren und dadurch die Schmelzwasserbildung zu begünstigen. So ist also ein Ski zweckmäßig, mit kleiner Auflagefläche und einer Oberflächenstruktur die sie noch weiter reduziert. Da nur wenig Schmelzwassers erwartet wird, ist eine feine Struktur mit geringer Tiefe gut. Da weiterhin feinkörniger Schnee vorliegt ist die Struktur zusätzlich feiner als die Körnung zu wählen.

    *Grob abgeschätzt fließen bis zu etwa 50% der Gesamtleistung eines Athleten in die Skireibung (abhängig von der Fahr- und Loipensituation). Bei einem Leistungsvermögen von 200 Watt wären das 100 Watt, ein beachtlicher Wert, insbesondere bei kleiner Temperaturdifferenz zum Schmelzpunkt 0°C!
  3. LT -20°C, kalt, trocken; Schnee 2 Tage alt, wenig umgewandelt, d. h. feine, spitze Schneekristalle, pulvrig mit geringer Dichte, feste Loipe.Bei -20°C steht F Trocken klar im Vordergrund und hier kommt deutlich F Abrasion hinzu.F Flüssig ist vernachlässigbar. F Plough: in geringem Maß über das „Mahlen“ der Schneekristalle und etwas Schneeverdichtung.
    Vorgehen: Den harten Schneekristallen sind mit den aktuellen Materialien härtere gegenüber zu stellen. Durch Absenken der Flächenpressung lässt sich das Eindringen der Kristalle in Beschichtung und Belag jedoch vermindern. Gewählt wird ein Ski in „Kalt-Ausführung“ (etwas härterer Belag) mit großer Auflagefläche und eine Struktur, welche die Fläche nicht wesentlich verkleinert. Die Gewichtskraft verteilt sich so über eine größere Fläche, somit sinkt die Flächenpressung. F Trocken ist sehr hoch, weil es an schmierendem Schmelzwasser fehlt; zur Generierung müsste die Fläche aber verkleinert werden, was aber im Gegensatz zur vorgenannten Maßnahme steht. Bei -20°C ist der Abstand zum Schmelzpunkt schon so groß, dass ohnehin nur sehr wenig Schmelzwasser zu bilden ist, um einen ausreichenden Vorteil zu generieren. Der gewählte Ski besitzt, ebenfalls aus Gründen Flächenmaximierung, eine „nichtöffnende“ Skischaufel.
    F Plough: Aufgrund der geringen Schneedichte kann auf F Plough über die Schaufel kein Einfluss genommen werden. Die Struktur muss auch aus der Plough-Perspektive fein, mit geringer Tiefe gewählt werden (feinen, harten Schneekristalle).

Die Beispiele machen deutlich, dass ein Zuviel oder Zuwenig von Maßnahmen die Reibung wieder erhöht bzw. bei den übrigen Kraftkomponenten zu einem Anstieg führt. Am Ende muss die Summe aller Widerstandskomponenten (F Ski) ein Reibungsminimum ergeben. Welche Verbesserungen sind bei dem zu treibenden Aufwand zu erwarten? Pauschal ist das nicht zu beantworten. Fallweise, unter Nennung der Randbedingungen lässt sich jedoch ein in etwa Größenordnung angeben, in der sich das bewegt. In diesem Aufsatz werden dazu vier Reibleistungsmessungen vorgestellt, nach der Methode der „Energiebilanz“ **. Alle verwendeten Ski-Modelle sind aus dem Oberklassebereich eines Herstellers. In den Messbeispielen wird die Reibleistung bezogen auf 18 km/h angegeben. Diese Größe ist häufig aus anderen Sportarten bekannt und bietet ein gutes Gespür. Die Änderung der Reibkraft ist in jeweils in Prozent angegeben.

** Methode des Autors: Vermessung einer Teststrecke an einem Ski-Hang in Länge und Höhendifferenz. Der Test wird aus der Ruhe gestartet, nach Durchfahrt der Teststrecke wird die Endgeschwindigkeit gemessen. Aus der Energie der Lage am Start und der Geschwindigkeitsenergie am Ende lässt sich der Verlust durch die Reibung berechnen. (Detailbeschreibung im Aufsatz „Ski-Test“).

Beispiel 1: Ski Ausführung:
Altschnee fein, LT -9°C, kalt, trocken, feste Loipe, feinkörnig (Bild 11)
Vergleich: Ski- Paare gleichen Typs mit öffnenden Schaufeln; für die vorliegenden Bedingungen grundsätzlich geeignet, in gutem Zustand; mit gleicher Beschichtung:
Makroauflagefläche / Schliffbezeichnung / Reibleistung:
Paar 1: 198 cm² / PD 4 (Bild 12) / Ergebnis 85 Watt
Paar 2: 280 cm² / L6XV (Bild 13)/ Ergebnis 100 Watt
Bild 14 zeigt für jeweils zwei aufeinanderfolgende Fahrten (Wiederholbarkeit, konstante Bedingungen) die Reibleistung. Über die Ski-Ausführung lässt sich hier eine Reibungsminderung von Reibung 15% bzw. 15 Watt erreicht.

Quellen:
[4] Stribeck, R., Die wesentlichen Eigenschaften der Gleit- und Rollenlager, Z. Verein. Deut. Ing., Vol. 46 Seit 38ff. 1341–1348 (1902).

[5] Skischliffe falsch interpretiert, Gliding12017.pdf (snowstorm-gliding.de)

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