Das Thema Übertraining ist so alt wie der Leistungssport, zeigt sich aber in letzter Zeit auch im Breitensport immer häufiger. Unsere Ernährungsexpertin Caroline Rauscher wirft einen Blick auf Ursachen und Wirkung des sogenannten OTS.
OTS: Was passiert im Körper?
Wenn Athleten Leistungseinbußen spüren, dann reagieren viele oft falsch, sie versuchen nämlich noch härter zu trainieren bei noch weniger Regenerationspausen, um ihre gesteckten Ziele zu erreichen. Jedoch kann dieser chronische Stress, der dem Körper zugemutet wird, dazu führen, dass sich ein sogenanntes OTS entwickelt. Athleten die daran leiden, brauchen oft Monate oder sogar Jahre, um sich davon wieder komplett zu erholen. Nicht selten wird dadurch das Ende einer sportlichen Karriere eingeläutet.
Mechanismus
Das Übertrainingssyndrom kurz als OTS bezeichnet, spiegelt den Versuch unseres Körpers wieder, die Auswirkungen verschiedenster Stressfaktoren zu verkraften. Diese Stressoren sind ganz unterschiedlicher Natur: Trainingsstress, Schlafentzug, Einflüsse von extremen Außenbedingungen, Wohnortwechsel, zwischenmenschliche Probleme, unzureichende Energie- und Makronährstoffzufuhr etc. Gleichzeitig mit dem Auftreten dieser „Störfaktoren“ wird nun unser Hormonsystem (endokrines System) auf den Plan gerufen, um sich diesen Stresssituationen entgegen zustellen. Hormone wie Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol haben primär die Aufgabe, im Stoffwechsel entstandene „Treibstoffe“ umzuverteilen, den Blutzuckerspiegel konstant zu halten und die Ansprechbarkeit und Reaktionsfähigkeit unseres Herz-Kreislaufsystems zu verbessern. Ist der Körper nun häufig und wiederholt, oder permanent verschiedensten Stresssituationen ausgesetzt, verändert sich seine Ansprechbarkeit auf derartige Situationen: die Ausschüttung von Botenstoffen wie zum Beispiel Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol, erniedrigt oder erhöht sich möglicherweise. Chronischer Stress und die damit veränderten Level von Botenstoffen führen dazu, dass wichtige Zentren in unserem Gehirn unempfindlicher auf akute Stressreaktionen reagieren, das heißt ein sensibles hoch entwickeltes System leidet in seiner Funktionalität. Diese Störungen der Gleichgewichte werden durch normale Gegenregulationsmechanismen also „Abwehrmechanismen“ von unserem Körper kompensiert und re-reguliert. Ist der Stress unverhältnismäßig hoch, dann können dauerhafte Störungen auftreten. Also nicht ein isolierter Stressfaktor wie zum Beispiel zu hartes Training ist Auslöser dieses Syndroms, sondern es ist tatsächlich die Kombination von vielen verschiedenen Faktoren, die in ihrer Gesamtheit verschiedenste „Abwehrmechanismen“ auf immunologischer, hormoneller oder andere Systeme betreffender Ebene triggern.
OTS und Immunsystem
Unser Immunsystem reagiert sensibel auf Stress, und zwar auf physischen und psychischen in gleicher Weise. So zeigen aktuelle Informationen im Zusammenhang von Immunsystem und OR (Vorstufe von OTS), dass Perioden von intensivem Training die Funktionalität von immunkompetenten Zellen unterdrücken, ohne jedoch die Anzahl dieser Zellen nennenswert zu reduzieren.
Strategien zur Bewältigung und Vermeidung von OTS
Eine der wohl bewährtesten Methoden Erschöpfungszustände in den Griff zu bekommen, ist angemessene passive Regeneration und ausreichend Schlaf. Grundsätzlich wird mindestens ein Ruhetag, besonders während intensiven Trainings empfohlen, um eine Disbalance zwischen Be- und Entlastung zu vermeiden. Ein Pausentag ist auch als „Auszeit“ vom Sport sehr wichtig, um sich auch noch anderen Dingen im Leben zu widmen, außer nur dem Sport. Diese Abwechslung im Athletenalltag hilft, die Freude am Sport zu erhalten und auch die „erlittenen“ Strapazen besser wegzustecken.
Schlaf
Schlaf ist ein ganz wichtiger Aspekt in Punkto „Ermüdungsmanagement“. Zu wenig Schlaf hat negative Auswirkungen auf die Qualität des Trainings und das allgemeine Wohlbefinden. Gerade in der Nacht laufen diverse Regenerations- und Rekonstruktionsprozesse in verschiedenen biologischen Systemen ab. Schlafmangel wirkt sich negativ auf die kognitiven Fähigkeiten und damit die Konzentrationsfähigkeit des Athleten aus. Jeder Mensch hat ein unterschiedliches Schlafbedürfnis, deshalb ist es unsinnig Empfehlungen im Hinblick auf die notwendige oder optimale Schlafdauer von Athleten auszusprechen. Als allgemeinen Tipp, was die optimale Schlafdauer anbelangt kann man sagen: soviel Schlaf, dass man sich über den ganzen Tag hinweg wach fühlt!
Ernährung: Kohlenhydrate und Energiebilanz
Symptome von OR sind vor allem in Phasen von intensivem Training und schlechter oder verkürzter Regeneration zu beobachten. Deshalb liegt die Vermutung nahe, das Entstehen von OTS steht im Zusammenhang mit der Entleerung von Glykogenspeichern. Entleerte Glykogenspeicher können zu Störungen im endokrinen Milieu, also auf der hormonellen Ebene führen. Es verändern sich die Level von stress- und blutzuckerregulierenden Hormonen. Folge davon ist eine Verschiebung in der Treibstoffverwertung. So konnte gezeigt werden, dass Athleten, die sich während intensiver Trainingsphasen angepasst und ausreichend mit Kohlenhydraten versorgen, weniger Symptome von OR an sich bemerken. Neben dem Fokus auf Kohlenhydrate ist auch die Einhaltung der Energiebilanz während eines Trainingstags ein wichtiger Punkt im Zusammenhang von Vermeidung eines OTS. Wichtig ist der Begriff „angepasste“ Kohlenhydratzufuhr: der erhöhte Energiebedarf soll nicht durch einseitige „Kohlenhydratmast“ gedeckt werden, sondern auch über einen entsprechend erhöhten Proteinanteil in der Versorgung.